LFA-B 1200 – Das Multitalent der Feuerwehr Rabenstein

 

Überblick

 

Die Marktgemeinde Rabenstein (www.rabenstein.cc) liegt auf 344 m Seehöhe im Pielachtal, ca. 19 Straßenkilometer südlich von St. Pölten in Niederösterreich. Die Gemeindefläche von 36,24 km² erstreckt sich über typisches Mostviertler Voralpengebiet bis auf 849 m (Geißbühel), ungefähr 45 % davon Wald.

2.450 Einwohner leben in acht Ortsteilen, die meisten in Rabenstein-Markt (Hauptort) und Tradigist.

Die stark befahrene Pielachtalstraße (LB 39) durchzieht das Gemeindegebiet und sorgt in regelmäßigen Abständen für Interventionen der Feuerwehr nach VU´s, weiters bergen einige Handwerksbetriebe, eine Tankstelle sowie ein Freibad (Chlorgasanlage!) Gefahren.           Ein Großteil der Bevölkerung lebt in Ein- und Zweifamilienhäusern, aber auch einige Wohnhäuser (bis zu 3 OG´s) sind vorhanden.

Die Besorgung der Aufgaben der Feuer- und Gefahrenpolizei erledigen zwei Feuerwehren, Rabenstein und Rabenstein-Tradigist, wobei der Einsatzbereich der Feuerwehr Rabenstein-Tradigist eine Besonderheit aufweist: Er umfaßt sowohl einen Teil des Gemeindegebietes von Rabenstein als auch einen von Kirchberg an der Pielach.

Die Feuerwehr Rabenstein verfügt über 66 Mitglieder (50 Aktiv, 11 Reserve, 5 Feuerwehrjugend), an Fahrzeugen stehen ein LFA-B 1200 (MB 1429 AF, Seiwald, Bj. 2007), ein TLF-A 3000 (MB 1227 AF, Rosenbauer, Bj. 1994) und ein MTFA (VW Caravan, Rosenbauer,         Bj. 1989) bereit.

 

Wieso ein Kombinierer?

 

Gemäß MAV standen statt dem LFA-B ein KLF (VW LT 35, Bj. 1982) und ein KRFA-B (VW LT 40, Landesaktion 1987) in der Fahrzeughalle; aufgrund des Alters und auch des Zustandes mußten beide Fahrzeuge ausgetauscht werden.

Bereits im Jahre 2002 erfolgten erste Überlegungen darüber, viele Ideen wurden geboren (angefangen von einer 1:1-Nachbeschaffung über ein KRF-S in Verbindung mit einem LF bis zum Um- bzw. Ausbau des vorhandenen TLF´s, ebenfalls in Verbindung mit einem LF) und wieder verworfen, bis klar wurde, was gebraucht wird und auch funktioniert: Ein Fahrzeug, welches Ausrüstung für verschiedene Arten der Menschenrettung aufgepackt hat und mit dem man einen wirkungsvollen Löschangriff durchführen kann. Außerdem mußten die kompletten Beladungen von KRF und KLF, ergänzt durch die Teile, welche laut Richtlinie gefordert waren, Platz finden.

Ein wesentliches Kriterium war auch der finanzielle Aspekt: Keine fragwürdigen High-Tech-Teile und Prestigeanschaffungen, nur unabdingbare Ausrüstung und Ausstattung wird verbaut.

Zum Drüberstreuen sollte es, aufgrund der geringeren Personalstärke während der Arbeitszeit, mit möglichst wenig Mannschaft trotzdem effektiv zu bedienen sein.

Die Erkenntnis, das dieses Fahrzeug dann in weiterer Folge bei allen Einsätzen im eigenen Einsatzbereich als Erstfahrzeug ausfahren muß, war da schon fast nebensächlich.

In weiterer Folge wurden viele Feuerwehrfahrzeuge im In- und Ausland besichtigt und unzählige Fahrzeugbeschreibungen auf Homepages diverser Feuerwehren und Fachforen studiert.

Anschließend konnte die Planungsphase beginnen…

 

Eine Vision wird real

 

Vorerst entstand einerseits aufgrund des Anforderungsprofils, andererseits aufgrund von Erfahrungen, ein Grobkonzept, welches folgende Eckpunkte enthielt:

Fahrgestell

  • LKW-Rahmenfahrgestell mit  verlängertem Fahrerhaus; Besatzung 1:8 (Norm für LFA-B)
  • Löschwassertank, 1200 Liter
  • Einbaugenerator, 30 kVA
  • Einbauseilwinde (Spillwinde), 50 kN
  • Lichtmast 4 x 1000 W Fluter, in einer Ebene stufenlos dreh- und neigbar

Ausrüstung (auszugsweise)

  • 4 Stück Preßluftatmer
  • TS 12, angeschlossen an Wassertank; bei Bedarf schnell abkuppel- und entnehmbar
  • Schnellangriff Wasser (30 m C 42 mit HSR)
  • Schnellangriff Schaum (2 x 15 m C 52 mit M 4)

 

  • Sammelverteiler (BB-CBC) als Schnellangriffsverteiler
  • 3 Schlauchtragekörbe (je 3 x 15 m C 42)
  • Injektorlüfter
  • hydraulischer Rettungssatz (Spreizer, Rettungszylinder, -Schere)
  • Hebekissensatz
  • Korbschleiftrage
  • 4 tlg. Steckleiter mit Verbindungsteil
  • Rettungsplattform
  • Greifzug
  • 4 Stück Rangierroller
  • UWP 12
  • 2 Schlagbohrmaschinen (klein und groß)
  • Trennschleifer

 

In der Phase der Feinplanung wurden die Plätze für die verschiedenen Ausrüstungsgegenstände festgelegt; auch hier wurde auf Sicherheit, Bedienerfreundlichkeit und logische Arbeitsabläufe geachtet.

Alle Teile, die durch den Maschinisten zu bedienen und überwachen sind (TS, Atemschutzüberwachung, Einbaugenerator, hydraulischer Rettungssatz), befinden sich auf der rechten Fahrzeugseite, ebenso das komplette Gerät für Menschenrettungen nach Verkehrs- und ähnlich gelagerten Unfällen.

Ausrüstungsgegenstände, die erst nach der Entwicklung benötigt werden, befinden sich links am Fahrzeug.

 

Details

 

Im Geräteraum 2 befindet sich im Tiefraum die TS, eine Ziegler Ultra Leicht, Baujahr 1991. Diese ist mittels Saugschlauch an den Wassertank angeschlossen (ähnlich einem KLF-W) und kann auch am Fahrzeug betrieben werden, dann gelangen die Abgase durch eigene Verrohrung unter dem Fahrzeug auf die Fahrerseite. Sie ist die bisher einzig bekannte saugende TS, welche auf einem Rahmenfahrgestell seitlich eingebaut ist und auch betrieben werden kann. Vom GR 2 bzw. von der TS führt eine fixe Leitung in den Geräteraum 7 (Heck); dort befinden sich zwei B- und drei C-Abgänge. An einem B-Abgang befindet sich ein Schnellangriffsverteiler (B/20 m mit angekuppelten BB-CBC-Verteiler), an einem C ein 30 m C 42 mit Hohlstrahlrohr zur Bekämpfung von Kleinbränden oder als Brandschutz bei VU´s. An einem weiteren C-Abgang ist ein Zumischer (Z 4) angeschlossen, welcher auch rasch entnommen werden kann, daran hängen zwei C-Schläuche mit einem M 4. Der Saugschlauch des Zumischers geht Richtung Raum 5, dort sind vier Schaummittelkanister gelagert, aus zweien kann das Schaummittel ohne Ausbau der Kanister direkt entnommen werden. 

 

Über den Schnellangriffseinheiten befinden sich drei Schlauchtragekörbe, bestückt mit jeweils drei C 42, ausgestattet mit Klemmgleitringen und Schlauchhaltern; daneben zwei doppelt gerollte C 42 (mit Schlauchträgern) und ein Hohlstrahlrohr sowie ein Tragesystem mit Feuerwehraxt, Halligan-Tool und Neubautenschlüssel - somit ist das komplette Gerät für einen Innenangriff übersichtlich an einem Platz.

 

Das LFA-B verfügt über insgesamt vier Stück Preßluftatmer (PA) MSA-Auer AirMaxx (200 bar ND); drei Stück entgegen der Fahrtrichtung in der zweiten Sitzreihe und ein PA am Platz des Fahrzeugkommandanten. Diese Anzahl bzw. Aufteilung ermöglicht verschiedene Varianten des Atemschutztrupps: Einerseits den klassischen Drei-Mann-Trupp, eventuell verstärkt durch einen vierten Feuerwehrangehörigen – wobei hier aufgrund der Halterung des PA am Platz des Fahrzeugkommandanten die Möglichkeit besteht, daß dieser mit in den Atemschutzeinsatz geht. Andererseits ist es möglich, zwei Atemschutzträger z.B. die Brandbekämpfung durchführen zu lassen, während zwei AT an der Gefährdungsgrenze (in der Regel am Verteiler) in Bereitschaft stehen und im Notfall sofort den arbeitenden Feuerwehrangehörigen zu Hilfe kommen können. Ist das LFA-B als Fahrzeug eines Schnell-Einsatz-Teams eingesetzt, ist es natürlich sinnvoll, vier AT auszurüsten und zur Verfügung zu haben.

 

Bei eingehenderer Betrachtung fällt ein weiteres Detail auf: Die meisten Ausrüstungsgegenstände sind, logisch zusammen gefaßt, in Kisten verpackt. So gibt es beispielsweise im Raum 2 über der TS eine Kiste, in der sich sämtliche Teile, die zum Ansaugen benötigt werden (Saugkorb, Drahtschutzkorb, Sammelstück, Saugschlauchleinen, Kupplungsschlüssel, Verbindungsschlauch B 5m, Werkzeugsatz für TS), befinden.

Eine weitere Kiste befindet sich im Raum 6, in ihr sind Geräte für den Einsatz bei VU´s: Decken, Leintücher, Patientenhelm, Stifneck, Glasmaster, Brecheisen, Nothammer, Verkleidungsentferner, Klebebandabroller, Kombizange, Gabelschlüssel.

Nach diesem System sind noch weitere 16 Kisten aufgepackt, somit wird zeitaufwendiges Suchen überflüssig, mit einem Handgriff sind alle Geräte und Werkzeuge dort, wo sie gebraucht werden.

 

Generell wurde auch darauf geachtet, so wenig bewegliche Teile als möglich einzubauen, deshalb verfügt der Ein-/Ausstieg auch über keine klapp- oder schwenkbaren Auftritte sondern über fixe Trittflächen, das bereits angesprochene Kistensystem macht den Einbau von Drehfächern unnötig und die Einbauten der TS (GR 2) und des HRS (GR 6) jeweils in den Tiefräumen erübrigt den Einbau von Absenkvorrichtungen.

Diese Maßnahmen hatten verschiedene Gründe: Die Langlebigkeit (wer weiß schon, wie sich der Luftzylinder eines klappbarer Auftritts nach 15, 20 Jahren Belastung, nicht zuletzt durch Salz und Schmutz, verhält? Oder die mechanische Verbindung zwischen Tür und drehbarem Ausstiegsstufen nach dementsprechend langer Belastung? Auch Scharniere, die sich abnützen oder Gelenke, die ausschlagen, gibt es nicht), die Sicherheit (wo sich nichts bewegt, kann sich niemand einklemmen, kann niemand von bewegten Teilen getroffen werden und auch die Gefahr einer nicht-arretierenden Verriegelung ist nicht gegeben) und nicht zuletzt die geringeren Kosten, sowohl schon beim Bau als auch im Laufe des Fahrzeuglebens, wenn die vorher beschriebenen Defekte eintreten und behoben werden müssen.

 

Neben der „Fahrzeugkunde“ wurde, schon lange vor der Auslieferung, großen Wert auf die Ausbildung an den neuen Ausrüstungsgegenständen gelegt, nicht nur Korbschleiftrage oder Rettungsplattform waren für viele neu sondern auch die komplett neue Ausrüstung für den Löschangriff wie Hohlstrahlrohr, C 42 und Schlauchtragekörbe. Hier machte es sich bezahlt, das einige Rabensteiner Feuerwehrmitglieder bereits in den vergangenen Jahren verschiedene RDA´s „genossen“ und dementsprechende Fachveranstaltungen (u.a. die 1. FO-Fachtagung in Krems) besucht hatten; die daraus gewonnenen Erkenntnisse wurden lückenlos in das Fahrzeugkonzept eingebaut.

Speziell die Umstellung der Taktik beim Brandeinsatz war ein Meilenstein: Wurde früher (fast) jeder Innenangriff mit dem formstabilen HD vorgetragen, kommen heutzutage nur mehr C 42 mit HSR zum Einsatz; diese werden mittlerweile dank drillmäßigem Strahlrohrtraining auch blind beherrscht. Formstabilen Druckschlauch gibt es am LFA-B keinen und auch der des TLFA wird mittlerweile nur mehr für Dienstleitungen verwendet.

Dankenswerterweise wurde die Einschulung an der Korbschleiftrage größtenteils von Kameraden der Feuerwehr St.Pölten-Stadt durchgeführt, da diese schon lange im Besitz von Korbschleiftragen sind zeigten sie uns verschiedenste Anwendungen und gaben uns ihre Erfahrungen weiter. Auch Mitglieder der ASBÖ-Rettungsstelle Rabenstein nahmen daran teil, wird doch die Korbschleiftrage idealerweise in Zusammenarbeit mit ihnen verwendet.

 

 

Die Rolle des Aufbauherstellers

 

Einen wesentlichen Anteil an der Realisierung des Projektes „LFA-B 1200 Rabenstein“ hatten die Mitarbeiter der Firma Seiwald. Waren in der Planungsphase die Brüder Andreas und Walter Seiwald eine große Hilfe und brachten viele Ideen und Erfahrungen ein, war es in der Phase des Aufbaus vor allem Thomas Bayer: Er als Verantwortlicher für das Fahrzeug von Baubeginn bis zur Auslieferung hatte alle Arbeiten zu koordinieren, Lösungsvorschläge auszuarbeiten und im Sinne des Fahrzeugkonzeptes Detailentscheidungen zu treffen; auch als sich während des Aufbauens neue Möglichkeiten  auftaten war er immer flexibel und lenkte die Arbeiten in die richtige Richtung. Selbst als im Zuge einer der ungefähr 12 Baubesprechungen vor Ort der komplette Umbau des Geräteraums 7 notwendig wurde kam keine Hektik auf; alle Vorstellungen der Rabensteiner wurden berücksichtigt und umgesetzt.

Sämtliche Arbeiten wurden mit höchster Präzision ausgeführt; auch einige kleine Umbauten, die sich erst im Laufe der Verwendung für die Feuerwehr Rabenstein als notwendig erwiesen und nichts mit mangelnder Qualität zu tun hatten, wurden anstandslos erledigt.

 

 

Die Anwendung

 

Alle Theorie ist grau, die 100%-ige Zweckmäßigkeit eines Feuerwehrfahrzeuges und die Richtigkeit der damit verbundenen Entscheidungen während der Beschaffung erkennt man immer erst bei Übungen und vor allem bei Einsätzen. Und hier hat sich gezeigt, da das Konzept richtig war: Durch die logische Anordnung der Geräte fanden sich die Feuerwehrmitglieder sehr rasch am Fahrzeug zurecht, die Phase der Fahrzeugkunde konnte bald erfolgreich beendet werden. In zahlreichen darauffolgenden Ausbildungseinheiten wurde die Anwendung des Fahrzeuges geübt, hier und auch in den ersten darauffolgenden Einsätzen zeigte sich, das das Gelernte sehr gut umgesetzt werden konnte.

 

Auch die Reaktionen bei den mittlerweile zahlreichen Besichtigungen durch verschiedene Feuerwehren und das Echo bei der Fahrzeugschau während der NÖ Landesausstellung in Waidhofen/Ybbs zeigten die Richtigkeit des eingeschlagenen Weges.

 

Für nähere Auskünfte und auch Besichtigungen steht die Feuerwehr Rabenstein gerne zur Verfügung!